Die Tagesanzeiger-Kunstkritikerin Paulina Szczesniak verfolgte die Argumentation und an der ersten Veranstaltung des Kunstforums Zürich. In der Diskussion hörte sie auch ungewöhnliche (und durchaus erfreuliche) Töne: die von der politischen Seite zur Sprache gebrachte Abneigung gegen undifferenzierte Massenveranstatlungen. Hier der Text:
Corine Mauch war amüsiert. Und zwar ob der Fragestellung der Podiumsveranstaltung, zu der man sie als Begrüssungsrednerin eingeladen hatte: Welches Museum wollen wir?, lautete sie, und die Stadtpräsidentin fand, das klinge nun etwas gar nach Lunchbuffet, wo für jeden Geschmack etwas dabei sein müsse. Im Fokus standen aber eben keine Gastrokonzepte, sondern die Museen – und natürlich insbesondere das Kunsthaus, das mit seiner Baugrube jetzt schon Erwartungen beim Volk schürt.
Letzteres strömte zahlreich herbei; alle 300 Plätze des Willy-Hirzel-Auditoriums im Landesmuseum-Anbau waren im Vorfeld verkauft worden, und es war insbesondere das Kunstvölkchen, das sich in den fensterlosen Bau zwängte. Geladen hatte das neue Kunstforum Zürich, ein privat finanzierter, vom Unternehmer Beat Curti präsidierter Verein, der den Kunststandort Zürich ab sofort regelmässig zum Inhalt von Diskussionen und Konferenzen machen will.
Dem «hohen Qualitätsanspruch», den das Kunstforum auf der Website für sich beansprucht, wurde es am Donnerstag gerecht. Nach Frau Mauch, die in ihrer Rede darauf pochte, ein Museum müsse a) einen Bildungsauftrag erfüllen und b) stark «in seiner Community» verankert sein, betraten das Podium: Chris Dercon, Ex-Tate-Modern-Chef und designierter Intendant der Volksbühne Berlin; Sam Keller, umtriebiges Mastermind der Fondation Beyeler; Lukas Gloor von der Sammlung Bührle, für die im Kunsthaus-Erweiterungsbau bereits ein – grosser – Platz reserviert ist; und der Kulturchef der Stadt Zürich, Peter Haerle.
Moderatorin und TA-Kunstkritikerin Ewa Hess hatte damit ein ebenso kompetentes wie gut gelauntes Herrengrüppchen zu dirigieren, das in rund 60 Minuten durchaus vertrackte Fragen erörterte: Wie die Massen ins Museum holen, aber gleichzeitig dem Individuum gerecht werden? Wie ein Haus mit Qualität füllen bei immer kleineren Budgets und immer grösserem Tempo? Wo sich einpendeln zwischen Bildungs- und Begegnungsstätte, sprich: wie Treffpunkt werden, ohne sich zum Picknickplatz, zum Kinderhort, zum Ort zu degradieren, wo die Kunst zum Beigemüse fürs kostenlose Wi-Fi verkommt?
Dercon, wie immer pointiert, argumentierte, ein Ausstellungshaus müsse in erster Linie beweglich bleiben, um sich den schnell ändernden Publikumsbedürfnissen anpassen zu können – wobei die zähe Schweizer Bürokratie ein Problem darstelle. Keller findet wichtig, die Leute nicht nur mit Eindrücken zu «füttern», sondern ihnen auch den (räumlichen) Rahmen zu bieten, diese zu verdauen. Gloor sieht das ideale Museum nicht als Blockbustermaschine, sondern als Ort der Ruhe, mehr noch: der Kontinuität und Identitätsstiftung. Und Haer- le erzählte von seinem Opa, der jeden Samstag die Kunsthaussammlung besucht, also zwar immer dasselbe und doch etwas Neues gesehen habe.
Hier knüpfte Dercon wieder an mit der wohl richtungsweisendsten Bemerkung des Abends: Wichtigste Aufgabe eines Museums sei, seinen Besuchern Fremdes zu injizieren. Denn der Kontakt mit «the Otherness» sei, was man dringender nötig habe als alles andere.